Die „Welt“ schreibt über die Buben im Pelz, bzw. ihre Platte folgendes:
Wir liegen im Bett. Du und ich. In Wien. Es ist Sonntagmorgen. Und wir sind fertig, wie man fertig nur sein kann. Dieser Zustand, wenn alles trocken ist in einem. Wenn man ganz dünne Haut hat. Wenn man am allerbesten aussieht. Blass. Kaputt. Zerbrechlich schön wie Jade. Wir liegen halb auf- und halb nebeneinander. Aber du bist ja gar nicht da.
Und ich denke nur, so viele Spuren von dir, die sind nur bei mir. Über die alte Stereoanlage – im Kassettendeck ist noch dein Love-Is-The-Drug-Mixtape, das du mir nach unserer ersten Nacht gemacht hast – laufen Die Buben im Pelz.
Sonntag Morgn auf dem Schwedenplatz
Ein wenig unglaubwürdig ist es, wenn man jetzt schon das beste Album des Jahres 2015 ausruft. Aber andere Kategorien sind falsch. Wirklich, es haut einen zusammen, wie alle ersten Male zusammen. Für Deppen, die nicht zur Liebe fähig sind, scheinen Die Buben im Pelz als spinnerte Band, die das Debüt von The Velvet Underground auf Wienerisch aufgenommen haben. Zunächst einmal: Das ist auch richtig
Anstelle der berühmten Banane von Warhol ziert aber eine linkskurvig gekrümmte Fleischwurst das Cover. Die Titel heißen „Sonntag Morgn“, „Schwedenplatz“, „Renn Renn Renn“ und eben nicht „Sunday Morning“, „I’m Waiting for the Man“ und „Run Run Run“.
Bis auf ein, zwei Ausnahmen interpretieren Die Buben im Pelz werktreu. Warum das nun von Originalität zeugt, zeigt am besten ein direkter Textvergleich. „Ah, da kummt er mit die Nike-Bock in weiß/ Adidas-Gwandl, schiaches Hiatl, es is a Freid/ Er schaut si um, immer bereit/ sechzig Euro, ich bin befreit/ I foahr zum Schwedenplatz“, singen Die Buben im Pelz.
The Velvet Underground haben das ursprünglich anders formuliert. „Here he comes, he’s all dressed in black/ P.R. shoes and a big straw hat/ He’s never early, he’s always late/ First thing you learn is you always gotta wait/ I’m waiting fort he man“, heißt es im Drogenkaufklassiker „Waiting for the Man“.
Bei Parcours-Sportlern sehr beliebt
Ist das nicht fantastisch! Ist das nicht gut? Muss man nicht vor den Typen David Pfister und Christian Fuchs auf die Knie fallen? Das sind die beiden, die im Wesentlichen hinter den Buben im Pelz stecken.
Die schwarzen Anzüge und die P.R.-Shoes (Lederschuhe aus Puerto Rico, mit denen man durch ihre sehr spitze Front sehr einfach über Maschendrahtzäune
klettern konnte) der Dealer weichen nun Adidas-Trainingsjacken und Nike-Schuhen. Schuhe von Nike sind jetzt bei Parcours-Sportlern sehr beliebt.
Überhaupt stimmt alles an dieser Platte. Als 1967 The Velvet Underground ihr von Andy Warhol produziertes Debüt herausbrachten, wurde gerade die amerikanische, die upgefuckte Dark Side of Pop erfunden. In die amerikanische Literatur hatte die Verlorenheit nach dem Zweiten Weltkrieg schon Einzug gefunden.
Kerouac schrieb den Roman „On the Road“, Ginsberg sein Gedicht „Howl“. Sie betäubten, salbten und rissen gleichzeitig neue Narben auf. Es ging ums Fixen, ums Hasch und um den Versuch, irgendwo dazwischen eine warme Umarmung zu suchen und zu finden.
Cupcake-süße LSD-Praline
Der Pop kannte zwar schon Drogen, aber nur als Cupcake-süße LSD-Praline der Beatles. Erst Lou Reed fand im echten Ekel der politisch konservativen Umgebung und Zukunft eine noch nie da gewesene Schönheit in Transvestiten in Lack und Leder, die auch mal mit schmutziger Nadel spritzten. New York wurde zur wichtigsten Stadt der Welt, die Band nach Band, Künstler nach Künstler hervorbrachte.
Wien ist auf dem Weg dorthin. Es scheint so, als würde überall, wo die Freiheit gefährdet ist, etwas Großes, etwas Gutes entstehen. Jede gute Popband (Wanda, Bilderbuch, Joachim Lottmann) kommt zurzeit aus Wien. Es hat die schönsten Dragqueens (Conchita Wurst und die gesamte FPÖ) und auch die besten Drogen (Märzen und Käsekrainer).
Und wen das noch nicht überzeugt, der hört jetzt sofort „Femme Fatale“ von den Buben im Pelz, denkt an Jörg Haider und singt dazu „Sie is so a fesche Funzen, ja so a fesche Funzen“ – und garantiert, auch wenn man alleine im Bett liegt an diesem Tag, man fühlt sich wieder zu zweit.