„Reisen bildet“, das sagt sich Michael Obert und reist deshalb schon seit Jahren kreuz und quer durch die Weltgeschichte. Obert, geboren 1966 in Breisach am Rhein, schreibt als freier Journalist unter anderem Reportagen für Die Zeit, Geo und etliche andere Magazine.. Er bereiste zwei Jahre lang den latein-amerikanischen Kontinent und unternahm anschließend zahlreiche ausgedehnte Reisen nach Afrika und in die islamische Welt. Mehrere Buchpublikationen über den islamischen Kulturkreis sind von ihm erschienen.
Sein literarischer Reisebericht „Regenzauber” erhielt den Globetrotter-Buchpreis 2oo5.
Michael Obert lebt in Berlin.
Michael Oberts neues Buch: Chatwins Guru und ich
Auf der Suche nach seinem großen Vorbild Patrick Leigh Fermor – Wanderer zwischen den Welten, Leitfigur für Reisende aller Kulturen – entdeckt der leidenschaftliche Erzähler und Reisende Michael Obert einen ihm unbekannten Kontinent neu: Europa.
Generationen von Reisenden verehren ihn, für Bruce Chatwin war er der »letzte Guru«, und auch der deutsche Schriftsteller Michael Obert bewegt sich in der Tradition des ältesten schreibenden Vagabunden der Welt: Patrick Leigh Fermor. 1933 wanderte der Engländer zu Fuß von Rotterdam nach Konstantinopel; für Obert steht er am Anfang seines eigenen Umherschweifens. Als er erfährt, dass Fermor noch leben soll, macht er sich auf die Suche nach dem fast Hundertjährigen und reist von Berlin über Wien nach Bratislava, durch Ungarn, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Mazedonien und Albanien bis auf den südlichen Peloponnes. Es ist eine Pilgerfahrt mit ungewissem Ausgang.
So abrupt Obert seine Reise überkommt – er schreckt nachts aus dem Schlaf, packt seine Tasche und bricht auf –, ganz zufällig ist der Zeitpunkt nicht. Ein schlimmes Erlebnis geht ihm voran. Bei einem Vulkanausbruch in Mexiko wird Obert auf viertausend Meter Höhe verschüttet. Mit viel Glück kommt er frei, doch danach liegt ein Schatten auf seinem Wanderleben. Er zweifelt an seinem Dasein als Reisender und beginnt unter plötzlichen Sehstörungen zu leiden, die ihn fürchten lassen, er könnte erblinden.
Unterwegs auf dem Balkan wird ihm allmählich klar, dass er sich von Fermor eine Antwort auf seine existenziellen Fragen erhofft. Die beiden haben ein ähnliches Leben geführt. Nur ist Fermor ein halbes Jahrhundert älter als Obert, der auf seiner Reise die Zeit überlisten will, um – sozusagen aus seiner eigenen Zukunft heraus – die richtigen Ratschläge zu erhalten. Er sucht jemanden, der ihn ermutigt und ihm versichert, dass sein Umherschweifen keine verschwendete Lebenszeit ist. Er braucht Absolution, um von vorn zu beginnen. Und wer wäre besser geeignet, ihm diese zu erteilen, als der Patriarch aller schreibenden Nomaden, der Herodot des 20. Jahrhunderts – Sir Patrick Leigh Fermor.
Und so begibt sich Obert auf die Spur seiner legendären Wanderung. Mit seinen Büchern im Gepäck. Und einem Nebensatz von Fermors Verlegerin, dass dieser auf dem südlichen Peloponnes leben soll. Unterwegs dorthin trifft er Menschen, die ihm bei seiner Suche helfen. Im ungarischen Esztergom findet er eine alte Frau, deren Vater damals ein Stück mit Fermor gegangen ist. Als Kind hat man Teresa ständig von diesem Verrückten erzählt, der zu Fuß nach Konstantinopel wanderte, während die Welt auf den Krieg zusteuerte. Über die Jahrzehnte des Erzählens ist in der Familiengeschichte aus dem Briten, der in Holland aufbrach, am Ende selbst ein Holländer geworden. Teresa erinnert sich nicht mehr an seinen Namen, aber der ihres Vaters ist Lazlo gewesen. Obert nimmt sich vor, Fermor nach ihm zu fragen.
Begegnungen mit Menschen stehen im Mittelpunkt von Michael Oberts Reisen. In Rumänien begibt er sich mit einem jungen Beamten auf die Suche nach den Überresten eines Dorfes, das Fermor viel bedeutet hat und das heute auf dem Grund eines Stausees liegt. In Serbien vertrauen ihm Bogdan und Anica, zwei Jurastudenten, ihre Kriegserlebnisse an. Im mazedonischen Ohrid, dem Jerusalem des Balkans, wohnt er beim alten Zoran, der ihn mit seinem selbstgebrannten Schnaps verwöhnt und mir Volkslieder auf seinem Akkordeon vorspielt. So erkundet Obert einen ihm fremden Teil der Welt. Seine Begegnungen münden in ein ebenso persönliches wie poetisches Porträt Osteuropas.
Die Reise, die im ICE vom winterlichen Berlin nach Wien begonnen hat, wird immer langsamer: Regionalzüge, Bummelzüge, Busse, Sammeltaxis; Obert hält Lastwagen an, fährt auf Flussschiffen, auf dem Rücksitz eines Mopeds, mit einer Eselkarre – und durchquert den Nordosten Albaniens zu Fuß. Als er Griechenland erreicht, ist der Sommer angebrochen, sein Augenleiden abgeklungen, seine Lebens- und Wanderlust wiederentdeckt – doch bis zuletzt bleibt die Frage: Wird der Reisende seinen Mentor finden?
Michael Obert zu seinem Buch Chatwins Guru und ich:
„Ich bin fest davon überzeugt, dass man nicht aus allem etwas machen, dass nicht alles irgendwie ausgeschlachtet werden muss. So habe ich es mit meinen Reisen immer gehalten. Über manche schreibe ich, über andere nicht. Die Suche nach Patrick Leigh Fermor ist meine bisher wichtigste Passage. Als ich vom Balkan zurückkam, sah ich in dieser Erfahrung einen ganz persönlichen Schatz. Ich trug ihn fast ein Jahr lang mit mir herum, bis mir klar wurde, wie kostbar er auch für andere Menschen sein könnte, Menschen, denen der Mut fehlt, etwas Wichtiges in Angriff zu nehmen, sich zu verändern, eine Last abzuwerfen, frei zu sein. Wenn die Zeiten schwierig sind, schreibt Wolf von Niebelschütz, ein Dichter, den ich sehr schätze, dann ist es die Aufgabe der Kunst, den Menschen zu erheben, ihn zu trösten und ihn in eine lichte Welt zu führen. Eine schöne Vision.“
Michael Obert
Chatwins Guru und ich. Meine Suche nach Patrick Leigh Fermor
Malik Verlag, 288 Seiten, 16 Farbbildtafeln und Landkarte
€ 19.95 (D) / € 20.60 (A) / sFr 34.90
ISBN 978-3-89029-371-4
Lese-Show in Freiburg
18. April 2010, 21 Uhr
Swamp, Talstraße 90, 79102 Freiburg
www.swamp-freiburg.de
Tel. 0761-796849