LEE BAINS AND THE GLORY FIRES (USA) im Räng Teng Teng


Punk against Trump! Mit Lee Bains kommt (endlich)mal wieder eine Band nach Freiburg, die die Haare nach hinten und die Rebellenfaust nach oben reckt. Schreibt zumindest die Frankfurter Rundschau in ihrer Rezension und hat Recht:

Eine Schublade. Darin Überreste, Geborgenes, Erinnerungen vielleicht. Spitzenborte und Turnschuh, Schlangenhaut und Elektrodraht, eine allzu rote Rose. Heilsbringer, Voodoo-Utensilien? Das Coverbild von Lee Bains III & The Glory Fires’ drittem Album bedient Klischees, verweist jedoch umstandslos auf das inhaltliche Gerüst von „Youth Detention (Nail My Feet Down to the Southside of Town)“.17 Songs – altes Doppelalbumformat – widmen sich dem unumkehrbaren Prozess des Aufwachsens und Mündigwerdens. Welche Umstände es also braucht, damit wir zu den derangierten Kreaturen werden, die wir sind. Konzeptalbum wurde so etwas einmal genannt – zumeist ein vernachlässigbarer, verquast-schrecklicher Krampf. Nach knapp 60 Minuten Laufzeit sind solche und andere Zuschreibungen obsolet.

Die beiden Gitarrenhelden Lee Bains und Eric Wallace sowie das rhythmusgebende Duo Adam (Bass) und Blake (Schlagzeug) Williamson werden als junge Vertreter des Southern Rock gehandelt. Ein Genre, das Glück und Unglück in die Musikwelt gebracht, für lichte Höhen und verschattete Schlammsuhlen gesorgt hat. Der seit fünf Jahren aktive Vierer nimmt das Erbe bewusst auf sich, dengelt das rostzerfressene, stumpfe Sensenblatt aber mit Verve und nach eigenem Gusto.

Wenn nach wenigen Sekunden des eröffnenden „Breaking it down!“ die ersten verzerrten Querschläger durch den Raum pfeifen, weiß der kundige Hörer, was bevorsteht. Punk und Rock sind der zementierte Boden, auf dem diese großartig-furiose Platte steht – ein Fest, um endlich wieder die Mähne zu werfen, die alte Rebellenfaust nach oben zu bringen. Kurzum: Schübe von Energie, eine überlebensnotwendige Ration in geistferner Zeit.

Unter Wert braucht sich im Beisein der glorreichen Feuerbuben niemand zu amüsieren. Feindbilder sind da, die Schlagrichtung ist eindeutig. Mit musikalischer Kraft wird auf „Youth Detention“ wider rassistische und tiefkonservative Tendenzen zu Felde gezogen, anhaltender Klassenkampf und gesellschaftliche Spaltungsversuche sind als Themen präsent. Dass Sänger Lee Bains III dafür in der eigenen Erfahrungsschublade kramen kann, macht die Sache authentisch.

Heimatliches Zentrum der Glory Fires ist Birmingham in Alabama. Wo einst die Cherokee ihre Bogen spannten und später Stahlindustrie und Rassenhass florierten, herrscht heute allumfassende Stagnation. Ein moralisch-wirtschaftlicher Niedergang, der politischen Rattenfängern und Lügenmäulern den Weg geebnet hat. Auch davon handeln diese Songs. In „Whitewash“, dem fantastischen, fast sanften Songwriterjuwel, ist von einem Leben „beneath the TV, the flag and the cross“ die Rede. Demonstriert wird hier, was dagegen wappnet: Auflehnung mittels Geschwindigkeit, Tumult, Aufrichtigkeit. Inmitten dieses Szenarios ist der von chorischen Kinderstimmen unterströmte „Crooked Letters“-Fluss das auf 6.20 Minuten gedehnte Meisterstück.

Die Riff-gesteuerte und mit Gospel, Country und Power-Pop gewürzte Unternehmung – jeder Song zündet, keine Durchhänger – wurde unter der Regie von Tim Kerr live im Studio eingespielt. Schwitzend, unrasiert, nie ohne Jeansjacke. Manchmal ein Lachen, Gesprächsfetzen. Der Verschleiß an Saiten und Schlagzeugstöcken dürfte immens gewesen sein.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass in Birmingham neben Sun Ra und Emmylou Harris auch Hardrock Gunter aufgewachsen ist. Als Rockabilly-Pionier hat er vor fast sieben Jahrzehnten den Titel „Birmingham Bounce“ an den Start gebracht. Eine Detonation, die bis heute nachwirkt.

https://youtu.be/_EW_aG8Q1kQ