Wanda, Bilderbuch, Der Nino aus Wien, Österreich ist momentan im Hervorbringen von astreinen Pop-Exporten europäische Spitze. Hinten den genannten brauchen sich Mile Me Deaf auf keinen Fall verstecken, auch wenn sie eine andere Art von Musik machen. Sie produzieren nämlich ein Sammelsurium von Sounds, eine eigene Art von Krach. Ein erbarmungsloser, ohrenbetäubender Krach, bei dem man trotzdem mitsingen will. Das das einwandfrei funktioniert, ist beispielsweise beim hier reingestellten Song „Digital Memory File“ zu sehen und zu hören.
Was der Kopf der Band, Wolfgang Möstl über seine Musik denkt und was er vom gegenwärtigen Hype um den Austro-Pop hält, könnt ihr hier im Interview nachlesen:
Der Wiener Noiserock-Tausendsassa Wolfgang Möstl über das neue Mile Me Deaf-Album „Eerie Bits of Future Trips“, die Frage, ob Sampling auch handgemacht klingen kann, seine Liebe zu Audiokassetten und warum er sich nicht als Gegenpol zu aktuell gehypten österreichischen Indiebands sehen will.
profil: Songwriter oder Soundtüftler: Wo fühlen Sie sich wohl?
Wolfgang Möstl: Eher Soundtüftler. Ich verbringe eindeutig mehr Zeit damit, den richtigen Sound zu finden, als zu schreiben. Ich will mein Songwriting nicht herabstufen, ich lege auch großen Wert auf die Qualität der Songs. Ein schlecht geschriebener Song kann nicht gut klingen.
profil: Vom Soloprojekt zur Band: Wie hat sich Mile Me Deaf seit der Gründung 2004 verändert?
Möstl: Anfangs habe ich hin und wieder an einem Freitag ein ganzes Album aufgenommen, es am Samstag Vormittag auf 50 CDs gebrannt, ein Artwork gebastelt, am Abend an alle meine Freunde verkauft und damit war der Release abgeschlossen. Mile Me Deaf ist auf jeden Fall sehr viel zeitaufwändiger geworden und es sind auch andere Leute in den Projekten involviert. Doch als klassisches Soloprojekt habe ich es auch früher nicht gesehen, da ich immer wieder fixe Bandmitglieder hatte.
Das Editieren war eine regelrechte Sisyphusarbeit
profil: Ein Gutteil der zehn neuen Stücke ist auf Tour entstanden. Ist die Arbeit im Studio obsolet geworden?
Möstl: Ein klingender Raum, ein gutes Mikrofon mit saftigem PreAmp und das ganze vielleicht noch auf Band aufgenommen, ist für mich durch nichts zu ersetzen. Die Möglichkeit, immer und überall an Songs arbeiten zu können, hat aber auch seinen Reiz und macht mindestens genauso viel Spaß. Diese Arbeitsweise ist um einiges spontaner und lebt von äußeren Einflüssen, die den Prozess oft in eine interessante Richtung bewegen können. Das war einer der Gründe, warum ich mich bei diesem Album für diesen Weg entschieden habe. Ich wollte auch sehen, wie weit ich gehen kann, ohne an Qualität einzubüßen oder trashig zu klingen.
profil: Stichwort Rockmusik und Sampling: Wie viel ist auf „Eerie Bits of Future Trips“ noch handgemacht?
Möstl: Bei manchen Tracks ging es mir darum, einen „Rock“-Song mit der Herangehensweise eines Elektronik- oder HipHop-Produzenten zu bearbeiten. Ich habe ja, bis auf ein paar Ausnahmen, alle Samples selbst eingespielt, gelooped und gecuttet und es mir auch sonst nicht leicht gemacht, die verschiedenen Sounds zusammenstöpseln. Das Editieren war eine regelrechte Sisyphusarbeit.
profil: Im Sprachsample zu Ihrem Song „Zodiacs“ werden die Vorteile des heute fast ausgestorbenen Kassettenspielers gepriesen. Analog ist besser?
Möstl: Ich gehöre zur letzten Generation von Musikern, für die Kassetten noch die einzige Möglichkeit darstellten, Musik aufzuzeichnen, beziehungsweise, für die es überhaupt noch relevant war, Musik überspielen zu können. Es hat also eher nostalgische Gründe, warum ich immer wieder zur Audiokassette zurückgreife. Außerdem ist dieses Medium, zumindest in der Szene, in der ich mich bewege, alles andere als ausgestorben.
Seite A und B brauchen einander wie McMurphy und Ratched
profil: Ihr Album klingt durchaus unösterreichisch. Sehen Sie sich als Gegenpol zum aktuellen Hype um heimische Indiebands?
Möstl: Es war mir immer schon wichtig, dass man meine Wurzeln nicht sofort hört und dass ich Musik mache, die unabhängig ihrer Herkunft funktionieren kann, was einer der Gründe ist, warum ich ausschließlich auf Englisch singe. Als Musikfan finde ich es spannend zu beobachten, was gerade passiert. Als Musiker hat das Ganze so wenig mit mir und meiner Musik zu tun, dass es mir ehrlich gesagt auch egal ist. Das soll nicht arrogant klingen, nur ist dieser Hype so unglaublich weit weg von mir, dass ich mich unmöglich als Gegenpol dazu sehen könnte.
profil: „Eerie Bits of Future Trips“ entwickelt sich vom sommerlichen Lo-Fi-Pop zur düsteren Lautmalerei. Eine bewusste Entscheidung?
Möstl: Anfangs hatte ich die zwei Seiten der Platte unabhängig voneinander, als einzelne EPs betrachtet, was aber nicht gut funktioniert hätte. Seite A und B brauchen einander wie McMurphy und Ratched.
profil: Als Musiker sind Sie umtriebig und in einigen Bandprojekten aktiv. Muss man sich als Musiker heute breiter aufstellen?
Möstl: Dass ich in mehreren Projekten aktiv bin, ist eine alte Gewohnheit. Auf einer Baustelle wird mir schnell fad. Einerseits schadet es der Reputation bestimmt nicht, alle paar Monate ein Album zu veröffentlichen und ständig mit einer Band auf Tour zu sein. Andererseits ist die Gefahr recht groß, den Leuten auf die Nerven zu gehen. Man darf nicht vergessen, dass sich die Lebensdauer einer Platte aufgrund der Masse an Alben, die jedes Jahr veröffentlicht werden, merkbar verkürzt. Mich wundert, wie oft Platten heute überhaupt noch gehört werden. Mit meinen Lieblingsplatten konnte ich beim ersten Mal durchhören noch nichts anfangen.
Wolfgang Möstl, 30
der gebürtige Steirer ist Dreh- und Angelpunkt der Wiener Noiserock-Szene. Mit der 2014 aufgelösten Band Killed By 9V Batteries wurde der umtriebige Soundtüftler weit über die österreichischen Grenzen, vor allem aber in Deutschland, bekannt. Möstl spielt neben Mile Me Deaf aktuell noch in der Wiener Formation Sex Jams.