Naomi (D)


Elektro Pop gibt es eigentlich selten im Swamp. Wenn, dann muss er passen. So wie der von der Band Naomi, deren letztes Album der Nachrichtensender ntv auf seiner Webseite mitsamt der Band so beschrieb:

 

Der passende Sound zur richtigen Zeit. Mit ihrem sechsten Album nehmen sich Naomi wieder zurück und besinnen sich auf melancholischen Elektro-Pop. Musik für Entdecker.

Manchmal ist Facebook doch zu etwas gut. Wenn einem zum Beispiel unerwartet das neue Video einer längst verschwunden geglaubten Berliner Band in die Timeline ploppt und sich nicht nur dieses Video als echte Entdeckung entpuppt (eine Art surreales Kammerspiel mit Liebespaaren, die sich an einem Tisch erst anhimmeln, dann wütend fetzen und schließlich tränenreich versöhnen), sondern auch der Song („That’s Not Love“ klingt wie Chris Isaaks „Wicked Games“ mit Roboterassistenz) und erst recht das ganze dazugehörige Album „Swim“.

Die Band heißt Naomi und hat schon Mitte der Nullerjahre mit ihrem damaligen Zweitwerk „Pappelallee“ dem Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg ein experimentierlustiges Denkmal aus verschlafenen Beats, knisternden Orchestersamples und melancholischem Songwriting gesetzt. Danach wurde das Duo poppiger, aber nicht gefälliger, rutschte aber etwas an den Rand des Hipsterradars.

Das aktuelle, sechste Album erscheint nun fast unbemerkt. Dabei knüpft es im besten Sinne an die Vorgänger an: „The Big Shapes“ hatte etwa der SZ-Kritiker vor acht Jahren als eine Popmusik gewürdigt, die sich „in einer gerech­teren Welt mit Lady Gaga um die oberen Plätze der Sommerhit­paraden drängeln“ müsste.

Die Welt ist seither nicht gerechter geworden. Naomi dafür eher noch besser. Wo das letzte Album mit dem Sound der 80er spielte und auch mal ungeniert bombastisch wurde, klingt „Swim“ nun reduzierter, cooler und dennoch eindringlich und lässt sich noch weniger einordnen. Der aktuell grassierende Hitsound zwischen R&B und House klingt nur hier und da mal an, stattdessen bleiben Naomi zwar Pop, gehen dabei aber erholsamerweise einen ganz eigenen Weg zwischen schick programmiertem Hiphop-Beat und entschieden unmodischem Slidegitarrensolo, zwischen Pathos mit Groove (beim fast schon sakralen „Melt the Key“), Wohlfühl-Elektro („Get Up, Get Out Into The Rain“) und den elegischen Synthesizer-Riffs des Titeltracks.

Die Lyrics umkreisen, natürlich, letzte Dinge (Liebe, Tod, „Psychobabble“ sowie Tanzen im Nieselregen) und die melodischen Ideen nehmen kein Ende. Ebenfalls geblieben ist, dass Naomi nicht die übliche Frontfigur ins Zentrum stellen – Bernd Lechler und Nico Tobias singen abwechselnd oder zusammen, und der Klang dieser zwei Stimmen betört nach wie vor. Einfach entdecken.